Wie sich ein Adler in einen Grizzly verwandelt

Geschrieben von Hans Peter Schläfli

Letztes Jahr spielte Svenja Zengaffinen mit dem Adler auf der Brust beim FC Aarau in der Nationalliga B. Nun hat die 21-jährige Fussballerin aus Däniken den Sprung in die USA zu den Georgia Gwinnett Grizzlies geschafft – die eine Bärentatze als Wappen haben.

„Ich kann mir vorstellen, irgendwann im Ausland Fuss zu fassen“, sagte sie vor zwei Jahren, als sie von der Talentschmiede des FC Basel zu den FC Aarau Frauen in die Nationalliga B wechselte. Nun hat sich der Traum bereits erfüllt. Seit Anfang Jahr spielt Svenja Zengaffinen in Lawrenceville, in der Nähe von Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaates Giorgia.

Fussball wurde ihr fast in die Wiege gelegt. Der Vater war beim FC Däniken-Gretzenbach Trainer im Kinderfussball. Bald stellte sich heraus, dass die kleine Svenja Talent hatte und sie durchlief beim FC Basel die Nachwuchsförderung. Als sie sich mit 19 Jahren in der Nationalliga A noch nicht so recht durchsetzten konnte, entschied sie sich, bei den FC Aarau Frauen Spielpraxis zu sammeln.

„Amerika ist bekannt dafür, dass hier der Frauenfussball einen sehr hohen Stellenwert hat, deshalb wollte ich es hier versuchen.“ So beschreibt Svenja Zengaffinen die  Motivation, ans andere Ende der Welt zu reisen. Daran konnte auch die Coronakrise nichts ändern. „Mein Wechsel hat sich um ein halbes Jahr hinausgezögert, aber am 9. Januar durfte ich endlich nach Atlanta fliegen.“

Den Kontakt mit dem Georgia Gwinnett College habe eine Agentur geknüpft und so habe sie ein Stipendium erhalten, dass den grössten Teil der Kosten abdeckt. „Ich werde zwar nicht reich, aber der Fussball ermöglicht es mir, ein Jahr in den USA zu leben und das ist sehr wertvoll.“ Ihr Studium heisst Bachelor in Cinema and Media Arts Production. „Ich möchte gerne Journalistin werden“, sagt sie zu ihren beruflichen Wünschen. Das Studium bilde dafür eine gute Grundlage.

Das Team ihrer Universität wird kurz als „Grizzlies“ bezeichnet. Das Niveau der regionalen Meisterschaft, Conference genannt, sei gut. „Das Ziel ist es, sich für das nationale Turnier der besten Teams zu qualifizieren. Der grösste Unterschied ist die Athletik. In der Schweiz ist der Ballbesitz wichtig, hier spielen vor allem die schlechteren Teams deutlich mehr lange Bälle. Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit sind deshalb besonders wichtig“, sagt Svenja Zengaffinen. „An der Universität steht die ganze Infrastruktur an einem Ort zur Verfügung. Wir gehen zweimal pro Woche in den Kraftraum. So kann ich athletischen Bereich besonders viel profitieren. Ich war noch nie so fit wie heute.“

Während bei uns weiterhin vor leeren Tribünen Fussball gespielt wird, sind in Giorgia Zuschauer erlaubt. Es herrsche nur noch Maskenpflicht. Gibt es bei den Grizzlies auch Cheerleader, wie man das in den Kinofilmen sieht? „Nein, der Rummel in Lawrenceville ist nicht ganz so gross“, beschreibt die Dänikerin das Drumherum. „Die sozialen Medien sind hier viel wichtiger. An den Spieltagen wir alles mögliche gepostet. Als ich mein erstes Tor schoss, wurde dieses gleich als GIF veröffentlicht und nach dem Spiel durfte ich ein Interview geben. Alle Spiele werden live auf dem GDN-Kanal (Grizzly Digital Network) der Webseite ggcathletics.com übertragen. Das ist sehr cool, so etwas könnte ich mir auch für die Schweiz vorstellen.“

Und was ist der grösste Unterschied zwischen dem Leben in der Schweiz und den USA? „Wir sind halt schon ziemlich pingelig und verknorzt. In den USA nimmt man alles etwas lockerer, man ist aber auch weniger zuverlässig. Damit hatte ich am Anfang etwas Mühe. Jetzt habe ich mich daran gewöhnt und es gefällt mir gut hier.“ Am Ende des Semesters will sich Svenja Zengaffinen entscheiden, ob sie in den USA weiter studiert. Eine Rückkehr ist nicht ganz ausgeschlossen. „Mein Ziel ist es, mich in der Nationalliga A durchzusetzen. Und wer weiss, vielleicht steigt ja der FC Aarau auf?“